Du fühlst dich müde, gereizt, angespannt. Und gleichzeitig sagst du dir:„Ich hab doch eigentlich keinen Grund dazu.“ Willkommen in der Sprache des Nervensystems.
Bevor wir Stress bewusst wahrnehmen, hat der Körper längst reagiert. Er zieht sich zurück, stellt um auf Alarm – auch wenn wir das noch gar nicht einordnen können.
Im Zentrum all dessen: der Vagusnerv. Ein unscheinbarer, aber lebenswichtiger Teil deines Körpers, der steuert, wie du dich fühlst – auch wenn du denkst, du „funktionierst ganz normal“.
Was genau ist der Vagusnerv? Welche Rolle spielt er bei Angst, Verdauung, innerer Unruhe – und sogar bei der Regeneration?
Und was kannst du konkret tun, um ihn zu regulieren?
Um zu verstehen, warum der Vagusnerv so entscheidend für dein Wohlbefinden ist, lohnt sich ein genauer Blick auf seine Aufgaben im Körper – und auf die enge Verbindung zwischen Nervensystem und Psyche.
Was ist der Vagusnerv – und was hat er mit deiner mentalen Gesundheit zu tun?
Der Vagusnerv ist der längste Nerv des parasympathischen Nervensystems – auch bekannt als „Ruhenerv“. Er verläuft vom Hirnstamm durch den Hals über das Herz bis in den Bauchraum und ist für viele unbewusste Prozesse verantwortlich:
- Herzschlag und Blutdruck
- Atmung
- Verdauung
- Stimmungsregulation
Kurz: Wenn dein Vagusnerv gestresst ist, ist dein ganzer Körper im Alarmzustand. Das zeigt sich nicht nur körperlich, sondern auch emotional – durch Ängste, Gereiztheit, Rückzug oder Erschöpfung.
Was bedeutet das für dich?
Wenn du ständig auf Hochtouren läufst, wird dein System nicht mehr ausreichend „runtergefahren“. Der Körper bleibt im Überlebensmodus – auch wenn äußerlich längst Ruhe eingekehrt ist.
Symptome eines überforderten Vagusnervs – wenn der Körper in Daueralarm ist
Die Auswirkungen eines dysregulierten Vagusnervs sind vielfältig – körperlich wie mental. Häufige Symptome sind:
- Verdauungsprobleme (z. B. Reizdarmsyndrom – persönlich bin ich davon betroffen)
- Schlafprobleme
- Engegefühl im Hals oder Brustkorb
- Herzrasen, flacher Atem
- chronische Erschöpfung
- emotionale Überreaktionen
- Ängste, Antriebslosigkeit oder Konzentrationsprobleme
Ein dauerhaft belasteter Vagusnerv kann auch das Risiko für depressive Verstimmungen oder Panikattacken erhöhen. Mehr dazu hier:
Der Zusammenhang zwischen Vagusnerv und Psyche
Wenn du dich schnell überfordert fühlst, leicht aus dem Gleichgewicht gerätst oder dein Nervensystem „immer an“ zu sein scheint, steckt dahinter oft ein dauerhaft aktiver Sympathikus – also der Teil des Nervensystems, der für Kampf- oder Fluchtreaktionen zuständig ist.
Der Gegenspieler: der Vagusnerv.
Er aktiviert den Parasympathikus und ermöglicht dem Körper, in den Entspannungsmodus zu wechseln. Ohne diese Regulation fehlt uns langfristig die Fähigkeit zur Erholung. Und das wirkt sich auf unsere Resilienz, Konzentration und sogar Beziehungen aus.
Welche Übungen helfen, den Vagusnerv zu beruhigen?
Die gute Nachricht: Du bist deinem Nervensystem nicht ausgeliefert. Es gibt einfache, alltagstaugliche Übungen, mit denen du den Vagusnerv aktiv beruhigen kannst. Im nächsten Abschnitt stelle ich dir 5 Tipps vor, die du sofort in deinen Alltag einbauen kannst.
Atemübungen
Langsames Atmen aktiviert den Parasympathikus. → 4 Sekunden einatmen – 4 halten – 4 ausatmen – 4 halten (Box-Breathing).
Summen oder Gurgeln
Die Vibration stimuliert den Nerv über die Stimmritzen. Besonders wirksam: tiefes Summen auf „Mmmh“.
EFT (Emotional Freedom Technique)
Diese Klopftechnik setze ich bei mir und in Trainings gezielt ein, um akute Unruhe zu regulieren. Sie verbindet Körper, Atmung und gezielte Affirmationen.
Kälte-Impuls
Kaltes Wasser ins Gesicht oder eine kalte Dusche am Morgen aktivieren den Vagusnerv reflexartig.
Bewegung in der Natur
Besonders wirkungsvoll sind ruhige Spaziergänge ohne Handy oder Podcast – nur du und dein Körper
Weitere fundierte Übungen findest du im Buch „Der Selbstheilungsnerv“ (Affiliate-Link).

Soziale Angst: Wenn Blicke bedrohlich wirken
Wer unter sozialer Angst leidet, erlebt die Welt wie durch einen Filter: Blicke wirken bedrohlich, Gespräche anstrengend, Bewertungen wie Gefahren.
Nicht weil man schwach ist – sondern, weil das Nervensystem in diesen Momenten in Alarmbereitschaft ist.
Ein überreizter Vagusnerv erkennt Signale falsch:
Neutraler Augenkontakt wird als Angriff gedeutet. Ein kurzes Schweigen fühlt sich an wie Ablehnung. Das ist keine Einbildung – sondern eine körperlich gespeicherte Schutzreaktion.
Wenn solche Symptome dauerhaft belasten, reicht Selbsthilfe allein oft nicht mehr aus. Dann stellt sich die Frage: An wen kann man sich eigentlich wenden, wenn der Vagusnerv aus dem Gleichgewicht geraten ist?
Welcher Arzt ist zuständig bei Beschwerden rund um den Vagusnerv?
Da der Vagusnerv viele Organe betrifft, sind unterschiedliche Fachärzt:innen potenziell zuständig:
- Neurolog:innen (bei neurologischen oder vegetativen Beschwerden)
- Gastroenterolog:innen (bei Verdauungsproblemen)
- HNO oder Logopädie (bei Schluckbeschwerden, Stimmstörungen)
- Psychotherapie (bei psychosomatischen Begleitsymptomen oder Angst)
Wichtig: Sprich deine Symptome konkret an – viele Beschwerden werden übersehen oder nicht direkt mit dem Nervensystem in Verbindung gebracht.
Wissenschaftlich betrachtet: Wie der Vagusnerv Körper & Psyche verbindet
Neben der praktischen Frage, wer bei Beschwerden helfen kann, lohnt sich auch ein Blick auf die Forschung. Denn die Wissenschaft entdeckt immer mehr, wie stark der Vagusnerv Körper und Psyche miteinander verbindet. Zum Nachlesen findest du hier drei ausgewählte Auszüge:
- MedUni Tübingen: Der Vagusnerv beeinflusst nicht nur den Magen, sondern auch emotionale Regulation.
- TU Wien Studie: Neue Erkenntnisse zur gezielten Nervenstimulation bei chronischem Stress.
- Arte-Doku: Faszinierende Einblicke in die Rolle des Vagus bei Angst & Heilung.
Diese Erkenntnisse zeigen klar: Der Vagusnerv ist weit mehr als ein unscheinbarer Nerv im Körper. Er ist ein Schlüssel für Gesundheit, Resilienz und innere Balance – und damit die Grundlage für das Fazit.
Dein Körper weiß oft früher, dass etwas nicht stimmt
Der Vagusnerv ist wie eine biologische Antenne: Er empfängt Reize, bevor du sie bewusst wahrnimmst – und reagiert, wenn du noch denkst, „alles passt doch“. Zu verstehen, wie er funktioniert, ist der erste Schritt zu mehr innerer Stabilität.
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